Werden Bussen auch nach Mahnungen und rechtlichem Inkassoprozess nicht bezahlt, wird die Busse in eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt. Der Inkassoprozess vom Ausstellen einer Busse bis zum allfälligen Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt direktionsübergreifend über verschiedene Schnittstellen (Busseninkasso der Justiz, Steuerverwaltung und Betreibungsämter, Bewährungs- und Vollzugsdienste). Der Kanton Bern hat per Anfang Januar 2023 sein Informatiksystem für das Finanz- und Rechnungswesen auf ein ERP-System (Enterprise Resource Planning) umgestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass für einen reibungslosen Prozessablauf im Busseninkasso verschiedene Optimierungen am System vorgenommen werden müssen. Bis zu deren Umsetzung sind zeitaufwändige manuelle Nachbearbeitungen nötig. Dies führte zu einem Vollzugstau bei allen beteiligten Organisationen mit entsprechendem Anwachsen der Pendenzen. Der Abbau der Pendenzen ist im Gang und verlagert sich nun zusehends in den Bereich der Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) für jene Bussen, die nicht bezahlt und schliesslich – als Ersatz – in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wurden und durch die BVD zu vollziehen sind.
Nicht genügend freie Plätze in Regionalgefängnissen
Im Mai 2024 belief sich der Rückstau auf rund 10 000 Dossiers, welche verspätet zu den Bewährungs- und Vollzugsdiensten gelangen. Gestützt auf Erfahrungswerte ist davon auszugehen, dass in rund einem Viertel dieser Fälle eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen sein wird. Rund 80 dieser Fälle waren zum Zeitpunkt der Übergabe an die BVD bereits verjährt. Das Abarbeiten der verspätet eingetroffenen Dossiers stellt das Amt für Justizvollzug vor beträchtliche Herausforderungen, da für den Vollzug der aktuell fast doppelt so hohen Anzahl von Ersatzfreiheitsstrafen in kurzer Zeit nicht genügend freie Haftplätze vorhanden sind. Die Fälle treffen gehäuft statt verteilt über das ganze Jahr ein und sind wegen der drohenden Verjährung innert kurzer Zeit zu vollziehen. Mit den regulären Haftplätzen sind solche Spitzen nicht aufzufangen. Erschwerend kommt hinzu, dass im Jahr 2024 national allgemein eine starke Zunahme der Nachfrage an Haftplätzen zu verzeichnen ist. Dieser nationale Trend hat auch Auswirkungen auf den Kanton Bern und stellt einen weiteren Grund für die hohe Belastung der Regionalgefängnisse dar. Die Vollzugseinrichtungen waren am Stichtag vom 1. Mai 2024 zu 103 Prozent belegt. Die mit dem Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen beauftragten Regionalgefängnisse Bern, Biel, Burgdorf und Thun waren sogar bis zu 113 Prozent belegt.
Rund 40 zusätzliche Haftplätze in Containern
Um zusätzliche Haftplätze für den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafen zu schaffen und weitere Verjährungsfälle zu verhindern, wird als Sofortmassnahme innerhalb des Sicherheitsperimeters des Regionalgefängnisses Burgdorf eine Containeranlage erstellt. Die Container waren während der zwei Jahre dauernden Instandsetzung der Justizvollzugsanstalt Witzwil im Einsatz. Damit sollen noch in diesem Jahr rund 40 zusätzliche Plätze für Ersatzfreiheitsstrafen und Halbgefangenschaft in Betrieb genommen werden. Zur Deckung der dadurch entstehenden Mehrkosten bezüglich Infrastruktur und den erforderlichen personellen Ressourcen hat der Regierungsrat einen Kredit von 5,57 Millionen Franken genehmigt.